Dienstleistungen und Produkte sind nicht statisch. Sie passen sich an das sich immer wieder verändernde Unternehmensumfeld an. Einfluss darauf haben neben den Marktgegebenheiten vor allem die Kund*innen. Ihre Wünsche und Bedürfnisse ändern sich ständig und sind oft geprägt durch Erfahrungen, die sie mit den führenden Playern der digitalen B2C-Welt machen. Was passiert, wenn sich diese Erfahrungen in Form einer Erwartungshaltung auf die B2B-Welt, konkreter auf die Consulting Branche übertragen? Ein Gedankenexperiment.
B2C Customer Experience als Maßstab
Schaut man sich die führenden Unternehmen der B2C-Welt an, führt momentan kein Weg an ABOUT YOU vorbei. 2014 gegründet, ist es heute eines der am schnellsten wachsenden eCommerce-Unternehmen Europas. Wie haben die Gründer Sebastian Betz, Hannes Wiese und Tarek Müller das geschafft? Die Antwort ist ganz einfach: Customer Experience!
Wie sieht heute eine High-End Customer Experience bei einem Online Händler aus?
Auf der Suche nach einem neuen Sneaker nutzt der modebewusste Manager eine uns allen gut bekannte Suchmaschine. Er klickt sich durch mehrere Onlineshops und informiert sich über das Produkt. Per Chat(bot) bekommt er Antworten auf seine Fragen. Er schließt den Browser wieder und scrollt später am Tag durch seinen Instagram-Feed, wo plötzlich die Sneaker als Sponsored Ad (Anzeige) erscheint. Ein Klick auf den Post und schon befindet er sich auf einer eCommerce-Plattform. Innerhalb von drei Klicks hat der Manager die Sneaker bestellt. Noch am selben Abend werden sie versandt. Der Kunde ist glücklich. Wie sieht wohl die Erwartung für seine nächste Bestellung aus?
Kundenerwartungen werden vor allem durch positive Erfahrungen in der Interaktion als Privatperson mit Unternehmen hervorgerufen. Insbesondere Technologieunternehmen werden von Kund*innen in Bezug auf die Customer Experience sehr gut bewertet. Große Konzerne wie Amazon, Apple, Google oder Microsoft sind Treiber, wenn es um neue Kundenwelten geht. Sie setzen höchste Standards und schaffen es immer wieder die Kundenerwartungen nach oben zu korrigieren. Durch die zielgerichtete Nutzung von Service, Design und Technologien, befriedigen sie die Bedürfnisse ihrer Kund*innen. Das führt zu einer neuen Selbstverständlichkeit.
Neue Technologien lassen die Kundenerwartungen steigen
Wer den Kundenerwartungen Stand halten will, muss unbedingt ein Auge auf die B2C-Trends haben. Benjamin Talin von MoreThanDigital hat die wichtigsten Entwicklungen in seinem Artikel zusammengefasst:
- Schnelle Leistungserbringung
- Möglichkeit zum Self-Service
- Ständige Erreichbarkeit
- Kosteneinsparnisse
- Omni-Channel
Die Salesforce Research Studie „State of the Connected Customer“ aus dem Jahr 2020 bestätigt diese Trends. Für 84% der befragten Kund*innen ist die Customer Experience eines Unternehmens genauso wichtig wie die Produkte und Dienstleistungen selbst. 73% geben an, dass besonders durch positive Erfahrungen mit einem Unternehmen ihre generelle Erwartungshaltung steigt. Gleichzeitig wären 66% der Kunden sogar bereit, für ein erstklassiges Erlebnis mehr Geld auszugeben. Laut des Zendesk-Reports aus dem Jahr 2020 würde rund die Hälfte der Kund*innen nach nur einem schlechten Erlebnis zur Konkurrenz wechseln. Bei mehr als einem schlechten Erlebnis, erhöht sich die Anzahl auf 80%.
Diese Ungeduld äußert sich z. B. wenn ein Mitbewerber einen schnelleren und günstigeren Versand bietet oder die gewünschten Informationen nicht in kürzester Zeit verfügbar sind. So kaufen Salesforce Research zufolge 59% der Kund*innen lieber bei Amazon, wenn der Versand dort schneller und günstiger ist. Bei der Interaktion zwischen Unternehmen und Kund*innen ist es ganz ähnlich: Mehr als 75% der Befragten erwarten, dass komplexe Probleme bereits von der ersten Kontaktperson – also möglichst schnell – gelöst werden. Für eine noch schnellere Lösung bevorzugen 67% der Kund*innen sogar Self-Service-Portale wie Datenbanken oder Kundenportale. Zendesk-Report kam zu dem Ergebnis, dass Kund*innen zunehmend selbst aktiv werden und mitbestimmen möchten.
Unser immer hektischer werdender Alltag und die kürzeren Aufmerksamkeitsspannen machen Customer Journeys immer komplexer und verteilen sie auf eine Vielzahl von Touchpoints. Omni-Channel ist das Schlagwort. Dazu zählen unter anderem mobile Apps, Telefonate und E-Mails. 40% der Kunden ignorieren laut Salesforce Research Unternehmen, mit denen sie nicht über ihre bevorzugten Kanäle interagieren können.
Wenn B2C-Erfahrungen zu B2B-Erwartungen werden
Eine herausragende Costumer Experience im B2C-Bereich hinterlässt Spuren im Verständnis von „gutem“ bzw. „schlechtem“ Service. Diese Erfahrungen nehmen die Konsument*innen mit in ihren Berufsalltag. Dadurch passen sich ihre Erwartungen an ihre Geschäftspartner*innen an.
Was bedeutet das für die Beratungsbranche?
Wichtig ist die schnelle und präzise Leistungserbringung. Deshalb wird auch in der Beratungsbranche die Frage immer wichtiger, wie bequem Kund*innen auf die Beratungsleistung zugreifen können. Da sie zudem eine einheitliche Konversation mit dem Unternehmen erwarten, müssen Kundeninteraktionen vernetzt stattfinden und Mitarbeiter*innen sich kontinuierlich abstimmen. Daten müssen dafür teamübergreifend eingesetzt und gemeinsame Tools verwendet werden. (Siehe dazu auch den Blogbeitrag zu Wissensmanagement). Übrigens alles nichts Neues, sondern Themenbereiche, in denen Beratungsunternehmen ihre Klient*innen die ganze Zeit schon unterstützen. Aber wo bleibt die Umsetzung in der eigenen Branche?
Folgen wir diesem Gedankengang noch etwas weiter in die Zukunft, werden die Auswirkungen noch deutlicher: Die heute 25-35jährigen – also die nächste Generation Klient*innen von Beratungsunternehmen – sind mit digitalen Medien aufgewachsen und bestens damit vertraut. Entsprechend wird ihre Erwartungshaltung um ein Vielfaches höher liegen. Die Consulting Unternehmen sind gut beraten, darauf einzugehen.